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Datum: 02/00
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Zeitung:
Radio Dreyeckland
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Titel: Zur Geschichte der RZ und der Roten Zora
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Radio Dreyeckland - Sendung 02/2000
(Audiomitschnitt hier)
Zur Geschichte der RZ und der Roten Zora
Mit Ausschnitten aus einem Gespräch mit Oliver Tolmein
Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle,
Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle,
.... Zitat RZ// Noch wissen wir nicht, ob sich an der
Flüchtlingsfrage antiimperialistische Politik mit Konfrontationslinien
im entgarantierten Sektor verbinden wird. Aber der Kampf um das faktische
Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge ist auch dann richtig, wenn wir
vorerst von den weißen Schichten des Proletariats weitgehend isoliert
bleiben. Der Beitrag, den Gruppen wie wir zu einem solchen Projekt leisten
können, besteht im Angriff auf die polizeiliche und
sozialbehördliche Kontrolle, der aus öffentlichen Kampagnen
allein nicht getragen werden kann.. Zitat RZ Ende
Mit solchen Sätzen begründeten in den 80er Jahren die RZ ihre
Kampagne für freies Fluten , eine Reihe von ca. 15 spektakulären
Aktionen auf Institutionen und Repräsentanten des bundesdeutschen
Rassismus. Bereits 1973 formierten sich die RZ in Folge des Zerfalls der
68er- Bewegung und verübten bis 1993 knapp 200 Anschläge und
Sabbotageaktionen. Obgleich die RZ ebenso wie die Rote Zora längst
Geschichte sind, soll nun ähnlich wie im Falle der RAF auch dieses
Kapitel linksradikalen Widerstandes nachhaltig ausradiert werden.
Seit Monaten läuft der polizeiliche und juristische Apparat auf
Hochtouren; mehrere Menschen sind in Haft, weitere Verhaftungen nicht
auszuschließen. Beschäftigen wird uns die Geschichte der RZ und
der Roten Zora vor allem - aber auch die Geschichte ihrer Widersprüche
- insofern, als sich hier auch wichtige Aspekte linksradikalen Widerstandes
in Deutschland ganz allgemein thematisieren lassen.
Zu hören sind Auszüge unseres Gesprächs mit dem
Strafrechtler und Autor Oliver Tolmein. Oliver Tolmein veröffentlichte
zu Themen wie Eugenik, Gentechnologie, aber auch immer wieder zur
Geschichte des bewaffneten Kampfes in Deutschland. Desweiteren kommentierte
er Auszüge aus Originalerklärungen der RZ und der Roten Zora.
Zunächst jedoch einige für die aktuelle Situation wichtige
Fakten in Kürze. 1989 wurde in Frankreich H.J. Klein verhaftet. Klein
war 1975 an einer Aktion der RZ - zusammen mit Palästinensern - auf
die Opec-Konferenz in Wien beteiligt; es kommen Menschen zu Tode, er selbst
wird schwerverletzt mit dem Restkommando ausgeflogen. Klein sagt sich in
Folge dessen vom Terrorismus medienwirksam los, bleibt aber untergetaucht
und belastet bis zu seiner Festnahme niemanden. Nun aber selbst des Mordes
angeklagt, beginnt Klein auszupacken. Rudolf Schindler wird daraufhin
festgenommen. Wen Klein noch weiter belastet, das ist bisher offen.
Ein zweiter Auspacker bringt 1999 die Maschinerie so richtig ins Rollen.
Tarek Mousli, der Rädelsführerschaft in der damaligen Berliner RZ
der 80er Jahre, sowie auch anderer konkreter Anschläge bezichtigt,
belastet mehrere Menschen schwer. Am 9./10.12.1999 werden Sabine, Axel und
Harald verhaftet und zugleich das alternative Projektzentrum Mehringhof von
tausend Sicherheitsbeamten nach Sprengstoff und Waffen durchsucht. Angaben
Tarek Mouslis zufolge sollten hier Relikte des Berliner RZ-Inventars
versteckt sein, gefunden wurde nichts.
Die Ausplauderei zeitigt jedoch auch weitere Folgen. Anfang Februar
dieses Jahres wurden die seit 1978 abgetauchten Sonja und Christian in
Paris festgenommen. Diese beiden - wie auch Rudolf Schindler und Sabine
Eckle - wurden bereits 1978 gesucht. Hintergrund war eine der dubiosesten
Verhöraktionen bundesdeutscher Verfolgungsbehörden, die je
bekannt wurde.
Deshalb ein kleiner Exkurs zur Geschichte der Strafverfolgung gegen die
RZ.
Oliver Tolmein Es war so, daß Herman Feiling an einem Sprengsatz
gebaut hatte in Heidelberg. Dieser Sprengsatz war detoniert, während
er daran gebastelt hatte und er war schwerst verletzt worden, d.h. seine
Augen waren zerstört worden und er hatte mehrere Gliedmaßen
zerstört, so daß er also vollständig amputiert war. In
dieser Situation, schwerst verletzt und nach so einem Unfall, ist er in die
Intensivstation gebracht worden, dort operiert worden und er ist dann
anschließend vollständig von der Polizei abgeschirmt, ohne einen
juristischen Beistand und in einer Situation, die man wirklich getrost als
Extremstsituation bezeichnen kann, von der Polizei tagelang verhört
worden und zwar rund um die Uhr.
Das sind zumindest Methoden, die sind selbst in der bundesdeutschen
Strafprozeßordnung, im § 136 a eindeutig verboten. Man sieht,
glaube ich, ohne groß zu übertreiben, angesichts der Situation
von Hermann Feiling, die auch als psychische Folter betrachtet werden kann,
und es ist einer der ganz, ganz wenigen Fälle gewesen, in denen
deswegen vor einem bundesdeutschen Staatsschutzgericht, was nun nicht
gerade durch übergroße Liberalität in solchen Fragen
gekennzeichnet war, und das schon gar nicht in dieser Zeit - die ja
geprägt war von großer Terrorismushysterie und von insgesamt
einem ausgereizten innenpolitischen Klima, das sehr viel schärfer
aufgeheizt war, als das heute auch nur vorstellbar ist. Also in dieser
Situation hat die Staatsschutzkammer des OLG Frankfurt entschieden,
daß die Aussagen eben nicht verwertbar sind und zwar überhaupt
nicht. Es sind auch deswegen keine Beweise, die in diesem Zusammenhang
erhoben worden sind, zugelassen worden; und damit ist eben dieses
Strafverfahren damals gegen Mitglieder der RZ beendet gewesen. Es ist
wirklich ein exemplarisches Strafverfahren gewesen, es war keineswegs von
vornherein klar, daß das passieren würde. Es gab damals eine
ziemlich breit angelegte Solidaritätsbewegung zugunsten von Hermann
Feiling und denen, die von diesem Strafverfahren damals auf Grund seiner,
ja, Aussagen kann man das eigentlich gar nicht nennen, betroffen waren.
In einer bundesweiten Razzia unter dem Namen Aktion Zobel versuchte man
im Dezember 1987 das vermeintliche Umfeld der RZ und der Roten Zora
aufzumischen. Neben Ingrid Strobl wurde auch Ulla Penselin verhaftet, die
jedoch nach mehreren Monaten wieder freigelassen werden mußte.
Mehrere Personen, die während der Razzia nicht anwesend waren,
tauchten vorsichtshalber ab. Strobl räumte zwar den Weckerkauf ein ,
allerdings - so betonte sie - ihn an Mr. X weitergegeben zu haben. Sie gab
dessen Identität nicht preis und wurde trotz großer
Solidarität wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung
zu einer Haft von 5 Jahren verurteilt, wovon sie allerdings nur 2 1/2 Jahre
absaß.
Dieses Verfahren war sozusagen der Startschuß für den §
129 a. Die Besonderheit dieses Paragraphen liegt nun darin, daß dem
Beschuldigten keine konkrete Aktion mehr nachgewiesen werden muß,
sondern allein die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder
aber die Werbung und Unterstützung einer entsprechenden Vereinigung
ausreicht.
Vermittels jenes beliebigen interpretierbaren Vorwurfs wurde
beispielsweise die Unterstützung der Forderung hungerstreikender
RAF-Gefangener in vielen Fällen mit Knast geahndet. Die speziell auf
linksradikale Theorie und Praxis zugeschnittene Kriminalisierung , für
die der § 129 a symbolisch steht, fand im Zuge der Aktion Zobel noch
eine weitere brisante Erweiterung. Durch die Konstruktion sogenannter
anschlagsrelevanter Themen sollte die Beschäftigung mit
einschlägigen RZ-Themen, also beispielsweise die
Flüchtlingspolitik oder Gentechnologie, als unlautere Vereinswerbung
eingestuft werden.
Wie breit und flächendeckend der § 129 a tatsächlich in
seiner Zeit angewandt wurde, belegt im übrigen das Verfahren gegen
Radio Dreyeckland wegen Abspielens genau jenes Songs, der infolgedessen
dann nur noch im remix gesendet werden konnte.
Bis heute nun sollte die Situation der Verfolger dennoch unbefriedigt
bleiben. Auch die aktuellen Aktionen kranken an dem Fehlen
selbsterarbeiteter Beweise. Alle aktuellen Verfahren scheinen sich sowohl
auf die Aussagen von Hans Joachim Klein als auch auf die von Tarek Mousli
zu stützen. Menschen also, die auf Grund der gegen sie selbst
erhobenen Vorwürfe aus juristischer Sicht im Grunde keine
seriösen Zeugen darstellen. Beide werden wohl direkt oder indirekt in
den Genuß der sogenannten Kronzeugenreglung kommen und werden also
für den Verrat sowie für die Belastung Dritter belohnt
werden.
Wenn nun im kommenden Jahr die Prozeße laufen, dann geschieht dies
auf Grund einer juristisch höchst umstrittenen, gewissermaßen
halblegalen Regelung, die Plänen der Rot/Grünen - Regierung
zufolge gekippt werden soll. Ich fragte Oliver Tolmein, wie die BAW mit
diesem Legitimationsproblem umgehen wird. Also die Problematik der
Kronzeugenregelung in diesem Zusammenhang ist ganz sicher eine Problematik,
die mit dem Klein-Verfahren und mit dem, was H.J. Klein an Belastung
bringt, auftauchen wird. Denn H.J. Klein wird ja unter anderem im
Zusammenhang mit dem Opec-Attentat von 1975, bei dem Menschen ums Leben
gekommen sind, also wegen Mordes angeklagt.
Und Mord ist ja in der Bundesrepublik, in unserem Strafgesetzbuch mit
einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Milderungsmöglichkeiten
erstmal versehen. Die Kronzeugenregelung ist die einzige Möglichkeit,
um jemanden legal, der wegen Mordes angeklagt ist, nicht lebenslang in den
Knast zu bringen. Und daß die Ermittler kein Interesse daran haben,
einen aussagebereiten Menschen wie H.J. Klein ein Leben lang in den Knast
zu bringen, ist relativ eindeutig; dafür ist die Kronzeugenregelung
also wirklich wichtig.
Anwendbar im klassischen Fall ist die Kronzeugenregelung nach ihrem
Wortlaut auch auf H.J. Klein nicht, denn sie setzt voraus, daß der
Täter oder Teilnehmer einer Straftat Wissen über Tatsachen
mitteilt , das die Begehung einer künftigen Straftat verhindert. Das
ist in diesem Fall nicht der Fall, weil er damit nur die Aufklärung
einer solchen Straftat fördert. Aber aufgeklärt ist die Straftat
im wesentlichen . Daß er zur Ergreifung eines Täters oder
Teilnehmers einer solchen Straftat beitragen kann, das ist zumindest sehr
strittg, weil es hier ja darum geht, das mit H.J. Klein ja schon einer der
Täter einer solchen Straftat gefunden ist.
Das große Problem bei diesen ganzen Kronzeugengeschichten ist ja,
daß sie eine Glaubwürdigkeit dieses Kronzeugen voraussetzen, die
in der Regel eben gerade nicht gegeben ist und das ist auch bei H.J. Klein
nicht der Fall. Also man geht normalerweise davon aus : die
Kronzeugenregelung - so, wie sie gedacht ist - sollte dazu führen,
daß Leute, die noch in der Illegalität sind, sich dann
freiwillig offenbaren, um dann einen Weg zurück in die Legalität
zu machen. Das hat kein einziger Mensch getan, sondern immer war es so,
daß Leute, wenn sie bereits in Haft saßen, dann angefangen
haben, um aus dieser Haft rauszukommen, andere zu belasten und das ist eine
Situation, wo jeder Kriminologe, jeder Strafprozeßrichter sagt: Naja,
diese Aussagen sind nun eindeutig nicht sehr glaubwürdig. Daß
die rechtliche Grundlage zum Zeitpunkt des Verfahrens möglicherweise
weggefallen ist, ist ein zusätzliches Problem, wobei da muß man
nochmal warten, wie das dann tatsächlich der Fall sein wird, denn die
Kronzeugenregelung an sich soll abgeschafft werden, aber es gibt Pläne
im Bundesjustizministerium, eine vergleichbare Regelung in einen anderen
Paragraphen des Strafgesetzbuches reinzuschreiben, nämlich in §
46, der die Strafzumessung regelt. D.h. also, möglicherweise wird man
bis dahin irgendeine Form von rechtlicher Grundlage für so ein
Verfahren haben. Ansonsten hat sich die BAW noch nie damit schwer getan,
das Recht, wenn es ihr denn paßt, ausgesprochen großzügig
auszulegen.
Bei Tarek Mousli ist die Situation sowieso nochmal ganz anders, weil
für den gibt es auch ohne Kronzeugenregelung aufgrund dieses bereits
existierenden § 46 eine Reihe von deutlichen
Strafmilderungsmöglichkeiten, so daß dort auf jeden Fall die
Chance für ihn besteht, daß er auf Grund von Aussagen, die er
gemacht hat, mit einer milden oder gar keiner Strafe davon kommt.
Das setzt allerdings voraus - anders als bei der Kronzeugenregelung -
daß es ein Gerichtsverfahren gibt, aber daran hat die BAW
möglicherweise sowieso ein Interesse. Es fällt auf, daß der
Aufwand, mit welchem man der RZ habhaft zu werden versucht, nicht von einer
derartigen Hetze begleitet wird, wie man es etwa von der RAF-Verfolgung
gewohnt ist. Dies wirft die Frage nach der politischen Funktion der
Kriminalisierung in diesem Fall auf. Ist der Linksextremismus, wie es so
schön heißt, in seiner projektiven Bedeutung für
gesellschaftliche Wahnvorstellungen etwa obsolet geworden?
Es ist nicht so, das es irgendwo einen Zusammenschluß gäbe,
wo sich der Generalbundesanwalt und ein paar Politiker und die
Chefredakteure irgendwelcher Zeitungen zusammensetzen, um zu
überlegen, welche Punkte müssen wir jetzt auf unserer
Staatsschutzagenda noch abarbeiten, um dann anschließend sozusagen
unsere Aufgaben voll erledigt zu haben. Wenn man sich jetzt das
RZ-Verfahren anschaut, dann hat die Generalbundesanwaltschaft, die das ja
ganz wesentlich betrieben hat, mehrere Interessen.
Zum einen denke ich, ist es das Jagdfieber von Staatsanwälten,
insbesondere natürlich das des Generalbundesanwalts, eine
Organisation, hinter der man solange hinterher ist, das gilt sicherlich
auch für das BKA, da nun endlich mal jemanden dingfest zu machen. Das
ist ein ganz großes Eigeninteresse, dessen Bedeutung nicht zu
unterschätzen ist. Der zweite Punkt, der sicherlich eine große
Rolle spielt, ist, daß die RZ und die Rote Zora zumindest als Mythos,
trotz ihrer Auflösung Anfang der 90er Jahre, fortleben in den
Köpfen vieler Leute und so wie es der BAW ganz wesentlich darum zu tun
war, bei der RAF irgendwo einen juristischen Schlußstrich zu ziehen
und durch diese Verfahren dazu zu kommen, festzustellen, daß die RAF
nichts Tolles war, sondern was ganz Furchtbares. Und Leute sich da
moralisch und menschlich schlecht benommen haben. So ist es ihnen
natürlich auch ganz wichtig, diesen Mythos, daß es eine
linksradikale Gruppe geben kann, deren Mitglieder einfach nicht erwischt
werden, die Anschläge - und es waren ja auch sehr viele Anschläge
- gemacht haben, die führende Repräsentanten auch noch der Justiz
und der Ausländerpolizei körperverletzen konnten, ohne daß
dort irgend eine Sanktionierung erfolgt. So einem Eindruck irgendwann
zumindest nochmal vorzuschieben und letzten Endes doch noch am Schluß
die Botschaft zu haben : militanter Linksradikalismus wird irgendwann auf
jeden Fall durch den Staat auch erfolgreich verfolgt.
Das ist eine zweite Funktion und eine eine dritte ist natürlich die
Propagandistische. Da gibt es möglicherweise einfach eine gewisse
Lücke zwischen dem, was die BAW sich vorgestellt hat und dem, was die
Medien daraus machen, wobei ich denke, da muß man mal schauen, wie
sich das weiterentwickelt. Zweifelsohne ist es so, daß die Medien im
Augenblick andere Interessen haben, als jetzt die großen Horrorstorys
über die RZ zu veröffentlichen. Andererseits tun sie auch nichts,
um jetzt in irgendeiner Art und Weise gegen diese Form von Justiz und es
war ja auch eine schwere Justiz, gegen Leute zu schreiben, die nichts
anderes beschuldigt werden , als das sie einer Gruppe angehören, die
sich schon längst aufgelöst hat. Und bei denen das einzige
Belastungsmaterial, was gegen sie vorgebracht werden kann, die zumindest
recht dürftigen Aussagen eines selbst verhafteten Menschen sind. Also
d.h. das rechtsstaatliche Bewußtsein der Medien in diesem Bereich ist
auch nicht besonders groß und da muß man mal schauen, wie sich
dieser Bereich weiter entwickelt. Sicherlich ist es auch kein Zufall, das
die BAW nun gerade die Knieschüsse auf den Vorsitzenden Richter des
Bundesverwaltungsgerichts und auf den Chef der Berliner
Ausländerpolizei Mitte der 80er Jahre in den Mittelpunkt ihrer ganzen
Geschichte stellt, obwohl diese Straftaten längst verjährt sind
.
Das tut sie natürlich, weil sie damit hofft, daß aufgrund
solcher Taten, die nun in der Tat nicht besonders erfreulich sind und
glaube ich auch eher zu den - wenn man jetzt die RZ anschaut -
fragwürdigen Geschichten gehört, daß sich dadurch ein
Solidarisierungseffekt möglichst vermeiden läßt und es
sieht ja im Augenblick auch so aus, daß die Solidaritätsbewegung
mit den Gefangenen relativ schwer in die Gänge kommt. Zitat Ende Die
Praxis der RZ war von Anbeginn stark internationalistisch orientiert. Die
ersten Aktionen gegen Niederlassungen von ITT 1973/74 richteten sich gegen
die chilenische Militärdiktatur und deren Unterstützung durch die
BRD und die USA.
Im Gegensatz zur RAF behielten die RZ jedoch ihr
sozialrevolutionäres Standbein. So hatten sie Anfang der 80er, mit den
Angriffen auf die BfA, das Bundesarbeitsgericht, sowie die
Gewerkschaftsbürokratie, die Produktionsverhältnisse der
Metropolen selbst im Visier. Trotz unterschiedlicher Ausrichtung bezog man
sich lange Zeit dennoch positiv auf RAF und die Bewegung 2. Juni , deren
MitstreiterInnen im übrigen später sowohl zur RAF als auch zur RZ
stoßen sollten. Zurückgewiesen wurde der Versuch einiger Linker,
die böse RAF gegen den frechen 2. Juni und die RZ auszuspielen.
Im Hungerstreik 1984/85 gegen die Isolationshaft und für die
Zusammenlegung der RAF-Gefangenen zeigt sich jedoch erstmals, daß
Teile der RZ die inhaltliche Ausrichtung der RAF politisch für
antiquiert halten. Die RAF sei einer dichotomen Vorstellung verhaftet.
Einer Vorstellung, die auf der einen Seite den sogenannten miK
(militärisch-industrielen Komplex) unter der Führung der NATO und
zunehmend auch der westeuropäischen Union zeitigt und auf der anderen
Seite revolutionäre Völker und Nationen.
Olver Tolmein zum Verhältnis RAF/RZ
Also grundsätzlich, wenn man sich die Aktionen anschaut, stellt man
fest, das es gravierende Unterschiede gab. RZ haben, zumindest was den Teil
der RZ angeht, über den ich jetzt reden will, der hier im Inland
tätig war, den deutschen also, nicht den internationalen Flügel
der RZ. Die haben sich zum Beispiel in der Regel darauf konzentriert, eben
gerade keine Menschen anzugreifen und zu verletzen. Insofern waren eben die
Anschäge auf den Bundesverwaltungsrichter Korbmacher und den Chef der
Berliner Ausländerpolizei Hollenberg sicherlich Ausnahmeaktionen.
Das hat auch damit zu tun, daß sie eine ganz andere
Einschätzung der Verhältnisse als die RAF hatte und sie waren
eben in der Regel nicht der Meinung , daß es nur Charaktermasken
dieses Systems sind, die die Verhältnisse hier, so wie sie sind, am
Laufen halten. Und gleichzeitig hatte die RZ, das denke ich ist für
die Linke ganz wichtig, immer den Ansatz zu sagen: wir müssen
innerhalb der radikalen Linken weiterhin verankert sein. Man kann nicht
eine militante Politik machen, die sich loslöst von der politischen
Betätigung. Das hatte die RAF in ihren ersten 1 1/2 Jahren ja auch als
Grundsatz, es war aber relativ klar, wenn man eben anfängt Menschen
umzubringen, daß das ein so hohes Maß an Auseinandersetzung mit
dem Staat und Konfrontation mit dem Staatsschutzapparat ist, daß so
eine Politik sowohl legal, als auch illegal gleich zu betreiben, nicht
durchzuhalten ist.
Der RZ ist es weitgehend gelungen, wenn man ihre Erklärungen
durchliest und wenn man sich anschaut, was sie dann real gemacht haben,
dann war es immer deutlich, daß eigentlich die Auseinandersetzung mit
dem, was auch innerhalb der legalen Linken passiert, mindestens genauso
wichtig ist wie die Frage, ob sie jetzt 10 oder 100 Ziegelsteine aus einer
Mauer gesprengt haben. Es gab bei der RZ immer Aktionen, wie der
Überfall auf das humangenetische Institut der Universität
Münster oder Aktionen gegen Ausländerbehörden oder gegen
eine Humangenetikerin hier in Hamburg, bei denen die Erbeutung von Akten
und Unterlagen im Zentrum standen. Die also ein hohes Maß an
aufklärerischer Funktion hatten und in gewisser Hinsicht ein
linksradikaler Investigationsjournalismus waren. Also von daher hatte die
RZ einen ganz anderen Ansatz.
Die Rote Zora als feministische Gruppierung ja sowieso nochmal insofern,
als sie ihren Kampf auch ganz direkt als Unterstützung begriffen hat.
Wenn man jetzt beispielsweise an ihre Aktion gegen die Adlerwerke denkt. Zu
einem Zeitpunkt, wo koreanische Arbeiterinnen sich im Streik um bessere
Arbeitsbedingungen befanden, als quasi hier zu Lande internationalistische
Unterstützung eines internationalen Gewerkschaftskampfes.
Oliver Tolmein: Die Aktionen, die die Gruppierung gemacht hat, sind halt
ganz schwer zu vergleichen und von daher sind diese Konzepte, auch wenn man
heute bei der Lektüre der verschiedenen Bekenner-und Anschlagsbriefe
verblüfft feststellt, daß die Rhetorik doch gar nicht so
unterschiedlich war. Insofern sind diese Unterschiede zwischen den
Gruppierungen in der Substanz ihres politischen Engagements doch ganz
erheblich. Deswegen hat die RZ ja auch einerseits, das merkt man heute,
größere Schwierigkeiten, denn insbesondere für jüngere
Leute ist die RAF halt auch verknüpft mit Menschen, die eine
Biographie haben, die man nachvollziehen kann, die man beobachten konnte.
Mit denen man ganz konkret Solidarität üben konnte oder mit denen
man heute ganz konkret über ihren Kampf sprechen kann, das hatten die
RZ nie, andererseits hatten die RZ natürlich in der Zeit ihres
Engagements ihrer praktischen politischen Tätigkeit erhebliche
politische Vorteile, weil sie sich einfach nicht so abgekoppelt haben von
dem, was der Rest der Linken und der Rest der Gesellschaft insgesamt
macht.
Anfang der 90er Jahre setzte eine strategische Debatte ein, die
letztlich das Ende der RZ markieren sollte. Neben der Reflektion und der
Bilanzierung von Sinn und Unsinn militanter Organisierung ging es vor allem
um eine kritische Aufarbeitung des Internationalismusverständnisses
der frühen RZ. Es tauchten verschiedene Papiere verschiedener Zellen
auf und es wurde deutlich, daß bereits Mitte der 70er Jahre die
Zellen gespalten waren. Gespalten in einen eher sozialrevolutionär
internationalistisch orientierten Flügel und einen sogenannten
Internationalen vornehmlich jedoch pro-palästinensischen Flügel.
Zentral in der Debatte ist die Frage des Antisemitismus.
Erinnern wir uns: 1976 entführten die beiden RZ-Angehörigen
Brigitte Kohlmann und Wilfried Böse zusammen mit zwei
Palästinensern ein Flugzeug mit 250 Passagieren auf dem Weg von Tel
Aviv nach Paris, um in Israel und Westdeutschland einsitzende GenossInnen
freizupressen. Bei einer Zwischenlandung ließ man die
nicht-jüdischen Passagiere frei. Die Entführung endete in
Entebbe, wo eine israelische Spezialeinheit die vier Revolutionäre
tötete. Zu Tode kommt auch eine Überlebende des Holocaust.
Die genauen Umstände der Aktion werden wohl für immer im
Dunkeln bleiben, insbesondere die Rolle der beiden Deutschen bei dieser
Aktion. Eine RZ erklärt im nachhinein, die Zusammenarbeit mit den
Palästinensern wäre von Anbeginn eine hierarchische
Arbeitsteilung gewesen, die Deutschen hätten nichts zu melden gehabt,
von der Hand zu weisen ist dies aber nicht. So wollte es die Ironie des
Schicksals, daß gerade einer der deutlichsten Verfechter
bedingungsloser Solidarität mit den palästinensischen Kontakten,
Gerd Albartus, später von diesen erschossen wurde, weil er
möglicherweise als Querdenker suspekt geworden war. Wie dem auch sei,
die Aktion von Entebbe und auch einige Erklärungen jener Zeit waren
Ausdruck und Folge mangelnder Sensibilität für Antisemitismus
innerhalb des Antifaschismusverständnisses der deutschen
Nachkriegslinken.
So ist es konsequent, daß ein Teil der RZ, obwohl nicht dabei
gewesen, 1991 die politische Verantwortung auf sich genommen hat. Nachdem
in der Debatte, in die längst größere Teile der deutschen
Linken eingegriffen hatte, der Vorwurf erhoben wurde, die RZ wolle sich nun
vom Internationalismus lossagen, sah sich die Gruppe gezwungen, in einem
zweiten Papier zu erklären.
Zitat RZ Hinterfragen wollen wir die scheinbaren Gewissheiten, mit denen
wir wie der Großteil der Linken in den vergangen zwei Jahrzehnten zum
israelisch-palästinensischen Konflikt Stellung bezogen haben.
Hinterfragt werden Begriffe wie Kampf um Selbstbestimmung, Recht auf Boden,
Agentur des US-Imperialismus etc., die uns zu Sprechblasen geworden sind.
Hinterfragt wird die Selbstverständlichkeit, mit der die
grundsätzliche Differenz zwischen Antizionismus und Antisemitismus von
Links behauptet wird. Wenn das schon als umkippen in das andere Extrem
charakterisiert wird, trifft es genau das, was Gegenstand der Kritik ist.
Warum reagieren deutsche Linke besonders empfindlich und hellhörig,
sobald das Verhältnis von Israel und Palästina nicht nur
schwarz-weiß, sondern in Zwischentönen beschrieben wird? Wieso
fühlt Mensch sich bemüßigt, mit aller Vehemenz zu
wiederholen, daß Israel imperialistischer Vorposten ist und bleibt?
Wenn wir uns gerade mal wieder in Erinnerung rufen, daß es auch
Zufluchtsstätte ist."
Angesichts der auch in anderen Papieren enthaltenen Hinweise, das der
Großteil der RZ schon in den 70er Jahren Probleme mit jener Art von
Internationalismus hatte, der zu Entebbe führte, stellt sich also die
Frage, warum über dieses Kapitel solange geschwiegen wurde? Tolmein
erlärt sich dies wie folgt :
Zitat Es ist immer ein Problem, daß die Linke, insbesondere
natürlich die militante Linke hat, daß sie sich sagt: ja wir
versuchen hier unsere Politik zu machen, wir wissen daß wir harter
Repression ausgesetzt sind, also versuchen wir jetzt, uns nicht auch noch
untereinander zu zerfleischen.
Das führt dazu, das eben der Linienkampf, auch weil man vermeiden
will, daß der Staatsschutzapparat möglicherweise wichtige
Informationen bekommt, daß die Auseinandersetzungen immer erst
geführt werden, wenn der praktische politische Kampf weitgehend
beendet ist oder wenn man sich soweit zerstritten hat, daß man nicht
mehr das Mindestmaß an Solidarität gegeneinander irgendwie
ausüben will. Für die politischen Auseinandersetzungen ist das
immer sehr problematisch und anscheinend ist das einer der Punkte, weswegen
die militante Linke so große Schwiergkeiten in den 80er Jahren hatte
und weswegen es diesen Niedergang auch gegeben hat, neben vielen sonstigen
Rahmenbedingungen.
Dies war auch der Punkt, daß dieses Denken - man darf
Auseinandersetzungen nicht austragen, weil sie dem Gegner nützen
könnten - letztlich auch zu Verhältnissen in einer Situationen
führt, die dem Gegner, nicht nur dem Staatsschutzapparat, nur
nützen kann. Das sind Verhältnisse, in denen eine politische
Auseinandersetzung im Keim erstickt wird und das ist sicherlich eine ganz,
ganz schwere Situation, aber man kann sicher sein, daß die RZ sich es
damals auch nicht leicht gemacht haben.
Der Grund dafür, daß es keine Auseinandersetzung darum
gegeben hat, denke ich, war sicherlich, daß in den Flügeln der
RZ , die damals solche Positionen vertreten haben, diese Positionen als
völlig in Ordnung angesehen wurden. Ich glaube, solche Positionen
würden auch heute noch von Teilen der damaligen RZ als völlig in
Ordnung angesehen werden. Es ist ja nicht so, daß -es ist ja auch
heute noch so - daß es durchaus nur Fraktionen der Linken sind, die
in diesem Bereich ein etwas ausgeprägteres historisches Bewustsein
entwickelt haben und ich weiß nicht, ob diese Fraktion der Linken,
die das heute haben , ob die wirklich soviel größer sind, als
sie es damals waren.
In den Aktionen und Positionen der RZ und der Roten Zora kam Mitte der
80er Jahre schon mal der Versuch durch, mit dem problematischen
Imperialismusbegriff und dem positiven Bezug auf sogenannte
revolutionäre Völker oder gar Nationen zu brechen. TRIPLE
OPPRESSION , die wechselseitige Durchdringung von Sexismus, Rassismus und
ökonomischer Ausbeutung war nun die ausgewiesene Konfrontationslinie.
Hinsichtlich der Gefahr antisemitischer (Kondukation?) sicherlich eine
begrüßenswerte, dennoch nicht unproblematische Entwicklung, wie
Oliver Tolmein findet.
Also wenn man sich gerade die Erklärung anschaut, die die RZ zu den
Anschlägen auf Hollenberg und Korbmacher veröffentlicht haben,
dann sind das Erklärungen, die zwar einerseits durch so einen neuen
Antiimperialismus geprägt sind, das sind gleichzeitig aber, ohne
daß ich das jetzt den Leuten, die daran beteiligt waren, unterstellen
will, sie sind aber gleichzeitig in einem hohen Maße einem Weltbild
verhaftet, das auch kompatibel zu antisemitischen Positionen ist, weil dort
diese Vorstellung, es gibt irgendwie eine böse volksferne Elite im
Volk oder Gruppierung im Volk, die hier ganz vehement bekämpft werden
muß, die ist dafür ganz prägend.
Da sind auch sonst ganz atavistische Strukturen in den Erklärungen
enthalten. Der Bezug, der das jetzt hier auf einzelne Nationen und deren
Befreiungskampf nicht mehr so gesetzt wird, ist richtig, aber ich
befürchte, das ist ersetzt worden durch Positionen, die einem
internationalen Proletariatmythos huldigen, der im Ergebnis auch nicht viel
besser ist und der natürlich auch sich wenden kann gegen Finanzkapital
und damit natürlich immer auch gegen das jüdische Finanzkapital,
also das ist gerade die Position, bei denen es um diese Anschläge, die
hier jetzt eine Rolle spielen, meines Erachtens überhaupt nicht
gesichert und überhaupt nicht so, daß man sagen kann, das sind
nun Positionen, die sind von so einem potentiellen Antisemitismus in der
Linken weitentfernt, das kann man nicht sagen.
Was in einer Erklärung der RZ bereits 1975 anklang, gehörte ab
Mitte der 80er Jahre zum guten Ton der gemischtgeschlechtlichen Gruppen.
Die Proklamation des antipatriarchalen Kampfes. Einige Frauen der RZ waren
jedoch unzufrieden, als sich diese Proklamation kaum im alltäglichen
Umgang der Militanten und in der politischen Praxis niederschlug.
Sie gründeten die Rote Zora. Hören wir, was sie 1984 in einem
Selbstinterview erzählten:
Wie seid ihr zu eurem Namen gekommen? Die rote Zora und ihre Bande, das
ist die wilde Göre, die die Reichen bestiehlt, ums den Armen zu geben
und Banden bilden, sich außerhalb der Gesetze zu bewegen, das scheint
bis heute ein männliches Vorrecht zu sein. Dabei müßten
doch gerade die tausend privaten und politischen Fesseln, mit denen wir als
Mädchen und Frauen kaputtgeschnürt werden, uns massenhaft zu
Banditinnen für unsere Freiheit, unsere Würde, unser Menschsein
machen. Gesetze, Recht und Ordnung sind grundsätzlich gegen uns.
Selbst, wenn wir uns ein paar Rechte schwer erkämpft haben und
täglich neu erkämpfen müssen. Radikaler Frauenkampf und
Gesetzestreue, das geht nicht zusammen . Was für Aktionen habt ihr
bisher gemacht und auf welchem Hintergrund ?
Angefangen haben die Frauen der RZ 1974 mit einem Bombenanschlag auf das
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, weil wir ja alle die Abschaffung des
§ 218 wollten und nicht diese jederzeit manipulierbare
Indikationslösung. In der Walpurgisnacht 1977 haben wir einen
Sprengsatz bei der Bundesärztekammer gezündet, weil von dort aus
selbst diese reduzierte Abtreibungsform mit allen Mitteln hintertrieben
wurde. Dann der Anschlag auf Schering während des Duogynonprozesses
und immer wieder Angriffe gegen Sexshops. Eigentlich sollte täglich
einer dieser Pornoläden brennen oder verwüstet werden. Also wir
halten es für eine absolute Notwendigkeit, die Ausbeutungen der Frau
als Sexualobjekt und Kinderproduzentin aus dem Privatbereich
herauszureißen und mit Feuer und Flamme unsere Wut und unseren Zorn
darüber zu zeigen.
Unsere letzten Anschläge richteten sich gegen Siemens und die
Computerfirma Nixdorf, sie trat mit der Entwicklung neuer
Herrschaftstechnologien, immer ausgeklügelterer Möglichkeiten der
Kriegsproduktion und der Widerstandsbekämpfung voran.
Darüberhinaus ging es uns dabei um ihre Vorreiterfunktion bei der
Umstrukturierung von Arbeit, vor allem auf dem Rücken der Frauen
weltweit. So wie jede Frau in Heimarbeit, Kpovaz(kapazitätsorientierte
variable Arbeitszeit) und Teilzeitarbeit voneinander isoliert und ohne
soziale Absicherung profitabel ausgebeutet werden sollen, mit den
Technologien dieser Firmen, so werden die Frauen in der sogenannten Dritten
Welt bei der Produktion dieser Elektronik regelrecht verschlissen. Mit 25
Jahren sind sie total kaputtgearbeitet, ausrangiert.
Ihr habt erklärt, wie ihr eure Praxis begreift, warum ihr euch im
Zusammenhang der RZ organisiert, geht daraus allerdings nicht hervor!
Hauptgrund ist erstmal, daß diese Politik von den RZ entwickelt wurde
und wir finden sie nach wie vor richtig. Wir haben in unserer Entwicklung
eigene Inhalte bestimmt, deswegen sind wir ja als Frauen autonom
organisiert, greifen aber auf die Erfahrungen der RZ zurück.
Darüberhinaus kann eine Zusammenarbeit von radikalen Gruppen den
militanten Widerstand insgesamt stärken. Es gab produktive
Zusammenarbeit, wie die Aktionen zum Reaganbesuch oder das
Diskussionspapier zur Friedensbewegung In Gefahr und höchster Not
bringt der Mittelweg den Tod .
Es gibt auch immer wieder nervige Diskussionen, denn die Männer,
die ansonsten ihren radikalen Bruch mit diesem System in eine konsequente
Praxis umsetzen, sind oft erschreckend weit davon entfernt zu begreifen,
was antisexistischer Kampf heißt und welche Bedeutung er für
eine sozialrevolutionäre Perspektive hat. Es ist unter uns Frauen auch
umstritten, wo die Grenzen sind, an denen uns die Zusammenarbeit
stärkt, oder unseren Frauenkampf lähmt, wir denken aber,
daß uns mit einigen Frauen der RZ's unsere feministische
Identität verbindet. Wie schätzt ihr die derzeitige
Frauenbewegung ein? Es fehlt ein ablehnendes Verhältnis zur
staatlichen Politik, zusätzlich wurde die Wende in der Familienpolitik
durch die Welle der neuen Mütterlichkeit in der Frauenbewegung
vorweggenommen.
Die Klassenfrage wurde auch immer ausgeklammert, soziale Unterschiede
wurden durch die Gleichheit der sexistischen Ausbeutung negiert. Das
erschwert gerade in der jetzigen Krise eine Antwort auf die
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und verschärfter Ausbeutung,
sowie auf die reaktionäre Familienpolitik. Das Fehlen einer
Handlungsperspektive, um angemessen auf den Krisenangriff zu reagieren,
führt zu dem Dilemma, entweder offensiv gegen die reakionäre
Politik vorzugehen oder lediglich die Entfaltung von Subjektivität in
Frauenfreiräumen zu retten.
In den Debatten zum Ende der RZ meldete sich die Roten Zoras
interessanterweise nicht zu Wort. 1993 dann Aktionen gegen das
Asylbewerberleistungsgesetz beziehungsweise gegen Firmen, die dessen
Vollzug logistisch durchsetzten und davon profitierten.
Die Frage, wie die neue Situation gegenüber den 80er Jahren, als
die rassistische Formierung durch Institutionen neu durch die Politik
forciert wurde, die Frage also, wie die volksgemeinschaftliche Formierung
der 90er Jahre, wie also eine militante Praxis auf Rostock und Hoyerswerda
aussehen könnte, jene Frage also, die in der RZ-Debatte von 1991 und
denen der antinationalen Linken diskutiert wurde, sie wurde auch von den
roten Zoras nicht beantwortet.
Dennoch sollten die roten Zoras in dieser Phase, wenn auch ungewollt auf
andere Fragen, Antworten geben. Im 1993 erschienenen Grundsatzpapier Millis
Tanz auf dem Eis ziehen sie kritisch Bilanz der Jahre nach den Aktionen
gegen Adler und der Repression in Folge der Aktion Zobel . Zitat Aus
verschiedensten Gründen andere Schwerpunkte setzen, militanten
Widerstand nicht mehr angemessen finden, Festgefahrenheit in der
Organisationsstruktur und damit einhergehende Schwerfälligkeit und
Verlust von Lebendigkeit. Trennten sich die meisten roten Zoras von unserem
Zusammenhang und somit stehen wir quasi am Neuanfang.
Der proklamierte Neuanfang sollte schließlich auch das Ende der
roten Zoras sein, diese Sätze verweisen auf ein sterbendes Konzept der
roten Zoras und der RZ. Das Agieren aus der Legalität heraus
verhinderte die Märtyrerbildung und ermöglichte es Menschen, ohne
allzugroße biographische Brüche, die Entscheidung für
militante Praxis zu treffen, sie gleichzeitig aber auch ohne
Gesichtsverlust revidieren zu können, wenn sie nicht mehr können
oder wollten. Was lange Zeit von einigen hardcore- Leuten der RZ
vorgeworfen wurde, sie würde sich im Gegensatz zur RAF eine
Hintertür ins bürgerliche Leben offenhalten, erwies sich als
adäquarter Ansatz unter den Bedingungen metropolitaner
Widersprüchlichkeit.
Dies nicht auszublenden und dennoch militant handlungsfähig zu
sein, in einem Land ohne die Tradition bewaffneten Widerstandes, allerdings
jedoch der Autoritätshörigkeit stellt die Geschichte der RZ den
wichtigen Versuch dar zu zeigen, daß auch militanter Widerstand
möglich ist, alle können alles und es braucht dazu keine Helden
und Märthyrer. Das Konzept Schafft 2-3-4 möglichst viele
revolutionäre Zellen fand im gewissen Maße tatsächlich
Resonanz. Man denke an massenhafte revoluionäre HeimwerkerInnen und
dergleichen mehr, eine Entwicklung, welche die RZ stets propagierte.
Die Möglichkeit, sich anonym und unabhängig von hierachisch
vermittelten Scenekontakten eine entsprechendes Know-how anzueignen, wurde
maßgeblich durch die beliebten RZ-Bastelanleitungen Realität.
Basteltips, die zugleich die Hierarchie der Praxisform selbst demontieren
sollten. Fahrkartenfälschung oder Stinkbombenattentate,
revolutionärer Zorn selbst gemacht. Auf der anderen Seite steht das
Projekt RZ auch für die Zurückweisung jener deutschen
Sekundärtugend, die weder die bedingungslose Hingabe an eine Sache um
ihrer selbst willen, noch die Härte gegen sich und andere als
Bedingung radikalen Handelns auswies, - Mensch oder Schwein ? - diese Frage
stellt die RZ nie.
Vieles im Zusammenhang revolutionärer Zellen / Rote Zora kann nur
angerissen werden, es bleiben Fragezeichen. Nicht zuletzt deshalb, weil es
außer den zweifelhaften Kronzeugen Klein und Mousli niemanden gibt,
der oder die wie im Falle der RAF oder der Bewegung 2. Juni angesichts
längst abgegoltener Strafen offen über ihre Geschichte reden
könnte. Nun gibt es jedoch 6 Menschen, denen der Prozeß gemacht
werden soll. Sie müssen raus.
Zur weiteren Beschäftigung mit der Geschichte der RZ und der Roten
Zora ist das zweibändige Werk Früchte des Zorns , Text und
Material zur RZ und zur Roten Zora zu empfehlen. Es ist erschienen 1991 in
der Edition ID-Archiv. Aktuelle Informationen zur Verfahrenslage und zur
Solidarität mit den Gefangenen: dazu lohnt sich ein Blick in die
Berliner Scenezeitung Interim sowie ein Blick auf die folgenden
Internet-Seiten: www.freilassung.de www.tolmein.de ihr hörtet eine
Sendung von Radio Dreieckland Freiburg / 02/2000 / Redaktion Aufgehoben Wir
kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen
sie Alle, Wir kriegen sie Alle, Wir kriegen sie Alle,....
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