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Diskussion

Datum:
04/2000

Zeitung:
interim Nr. 497

Titel:
Wo soll das alles enden?

Wo soll das alles enden ?

Vielleicht müssen wir umdenken, müssen lernen, daß Schwindel und Selbsttäuschung weit mehr zu unserem Scheitern beitragen, als die offen geführte Kontroverse um unsere internen Widersprüche, selbst auf die Gefahr hin, daß der Gegner sich dies zunutze macht."

Früchte des Zorn S. 21

Der am Ende des "kurzen Jahrhunderts" mit rund 1.000 Bullen von der Bundesanwaltschaft (BAW) in Sachen Revolutionäre Zellen auf den Mehringhof durchgeführte Zugriff war noch mal eine nachträgliche Ehrenerklärung für ein untergegangenes Kapitel linksradikaler Politik aus den 80er Jahren. Darüber hinaus stellte sich mit dieser Machtdemonstration die jüngst nach Berlin gezogene Bundesregierung dem Mehringhof in ihr angemessener Weise vor. Schließlich liegt das neue Regierungszentrum aus der Sicht ihrer Innenpolitiker inmitten der ekeligsten Stadteile der BRD. Und in dieses räumliche Szenario gehört nicht nur das für den Staatsschutz nur schwer zu durchschauende Geflecht links-nationalistischer türkisch-kurdischer Gruppen und die von der PDS regierten Stadtteile der ehemaligen "Hauptstadt der DDR", sondern natürlich auch die Reste der autonom-militanten Linken. Klar, das die Bundesregierung glaubt uns mit dieser Aktion zeigen zu müssen, "wo der Hammer hängt". Sieht man einmal von den gleichzeitig durchgeführten Verhaftungen von Harald, Axel und Sabine ab, so ist es mehr als erfreulich, das die Bullen den angeblich im Mehringhof versteckten Sprengstoff nicht gefunden haben. Ein gutes Ergebnis jener Aktion Wasserschlag, das als schöne Nebenfolge sicherlich zur Konsequenz gehabt haben wird, daß die BAW ihrem Kronzeugen Herrn Tarek M., auf dessen Aussagen der Polizeiüberfall zurückgeht, danach in der Zelle sicherlich "die Hölle heiß" gemacht haben wird. Denn der Staatsapparat läßt sich nun wirklich nicht gerne "an der Nase herumführen und für dumm verkaufen" - auch von seinen eigenen Kronzeugen nicht. Nachfolgend will ich nach einigen eher kursorischen Bemerkungen über die Theorie und Praxis der Revolutionären Zellen, eine paar Spekulationen über den Kronzeugen Herrn Tarek M. anstellen. Danach mustere ich einige Positionen aus der Solidaritätsarbeit durch, um sie fast alle zu verwerfen, und entwickele daraus einen Vorschlag für eine - natürlich aus meiner Sicht - bessere Soliarbeits-Begründung - und Praxis.

Wer waren die Revolutionären Zellen ?

Seit der anhaltenden Verhaftungswelle mutmaßlicher RZ-Mitglieder liest man einige ihrer Texte noch mal mit ganz anderen Augen. In einem ersten Zugriff ist das die Faszination an der Betrachtung eines Kriminalfalles, der (nicht nur) vor der eigenen Haustür spielte. Auf der anderen Seite schwimmt nun die Assoziation mit, bestimmte Argumentationslinien möglicherweise personifizieren zu können. Ein spannender Umstand: "Vieles" was der damaligen Herausgebergruppe der beiden Früchte des Zorns-Sammelbände im Januar des Jahres 1993 "in den neuen Texten der RZ unklar, vage und nur angedeutet" erschien, scheint sich nun ein Stück weit aufzuhellen. (FdZ, S. 83) Doch wenden wir uns der politischen Seite der Angelegenheit zu. Aus meiner Sicht läßt sich die knapp 20 jährige RZ-Geschichte aus mindestens drei unterschiedlichen Zugängen betrachten. Dazu zähle ich 1. Die Organisationsgeschichte. 2. Die eingesetzten Gewaltmittel und 3. Die Reichweite der von den Revolutionären Zellen angestellten Analysen. Dabei ist die Trennung zunächst einmal nur analytischer und methodischer Art. Allerspätestens wenn wir im Gerichtssaal in der räumlichen Nähe der Angeklagten sitzen und mit den Aussagen der "Kronzeugen" konfrontiert sind, wird sich das alles "wie von selbst" wieder zusammen fügen.

Zur Organisationsgeschichte der RZ

Die Organisationsgeschichte der RZ fällt in die Epoche der nationalen Befreiungskämpfe in den drei Kontinenten und ist damit nicht zu trennen, von der bis 1991 währenden Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und realem Sozialismus. Die im Jahre 1973 beginnende Organisationspraxis der RZ konnte - durchaus nicht unbegründet - zu diesem historischen Zeitpunkt im Kampf zwischen Kapitalismus und realem Sozialismus "auf Sieg" des letzteren setzen. Zwar war unmittelbar vor dem ersten RZ-Anschlag gegen eine Niederlassung des US-amerikanischen ITT-Konzerns im November 1973 die Volksfrontregierung Salvador Allendes von Pinochets Schergen in einem blutigen Miltärputsch hinweg gefegt worden, aber schon eineinhalb Jahre später feierte die revolutionäre Linke weltweit mit der Parole: "1. Mai - Saigon ist frei!" die Niederlage des US-Imperialismus in Vietnam.

In dieser weltweiten Kräftekonfiguration waren die RZ ein Kampfverband, der eine überraschend lang andauernde Kontinuität von rund 20 Jahren realisieren konnte. Auch wenn in der Abschlußdebatte der RZ in den Jahren 1991/92 der Kollaps des realen Sozialismus nur am Rande gestreift wird, und im Zentrum eher Fragen des Antizionismus, Anti- Rassismus und Anti-Patriarchalismus standen, so ist es wohl mehr als bloßer Zufall, daß wesentliche Gruppen der RZ ein paar Monate nach dem Ende der Sowjetunion gleichfalls die Segel strichen. Jedenfalls machte das Ende des realen Sozialismus allen Beteiligten unmißverständlich klar, daß eine logistische Unterstützung oder potentielle Ressourcen für die eignen Aktivitäten nicht mehr zu haben war, und ein wie auch immer gearteter "Sieg" gegen den Kapitalismus in absehbarer Zeit schon gar nicht mehr in Erwägung gezogen werden konnte.

Auf der inhaltlichen Seite wurde bereits die erste Anschlagsserie von der RZ in "drei Bereiche" unterteilt: "antiimperialistische Aktionen, (...) Aktionen gegen die Filialen und Komplizen des Zionismus in der BRD; Aktionen, die den Kämpfern von Arbeitern, Jugendlichen, Frauen weiterhelfen sollen, die ihre Feinde bestrafen und angreifen." (Zeitung der Revolutionären Zelle vom Mai 1975, FdZ, S. 88) Im Unterschied zu der exklusiven antiimperialistischen Orientierung der RAF streute die Guerillagruppe der RZ also ihren Begründungszusammenhang. Dabei wird der geltend gemachte Topos "Antizionismus" sicher nicht nur allein aus theoretisch-reflektierten Überlegungen gewonnen worden sein. Es steht begründet zu vermuten, daß er in einem etwas schlichteren Sinne auch aus der praktischen logistischen Hilfestellung durch die entsprechenden palästinensischen Widerstandsgruppen resultiert.

Diese "antizionistische Tendenz" in der Politik der RZ erreichte dann in den folgenden Jahren ihren makaberen "Aktionshöhepunkt" mit der u.a. von den beiden RZ-Mitgliedern Bonni Böhse und Brigitte Kuhlmann im Juni/Juli 1976 durchgeführten Entführung einer Passagiermaschine ins ungandische Entebbe, "in deren Verlauf israelische Staatsbürger und jüdische Passagiere anderer Nationalität ausgesondert und als Geisel genommen" wurden; eine Aktion die 15 Jahre später von einer RZ als "Selektion (...) entlang völkischer Linien" beschrieben werden sollte.(FdZ S.23/24)

Ein Teil der RZ glaubte sich in den folgenden Jahren von dem in der Entbebbe-Aktion praktisch gewordenen "Antizionismus" irgendwie verabschieden zu können. Doch dieser Flügel mußte dann spätestens seit der Hinrichtung von Gerd Albartus im Dezember 1987 mit Überraschung und dann wohl mit zunehmenden "Entsetzen" feststellen, daß sie von der "in den eigenen Reihen bislang tabuisierten" (Gewalt) selbst ereilt" worden waren. (FdZ, S. 33) Während von einem Teil der RZ ein Schlußstrich zu bestimmten internationalen Kontakten gezogen worden war, hatte Gerd Albartus "die alten Kontakte" bewahrt, die ihm schließlich das Leben kosten sollten. (FdZ, 30) Es gehört nur ein bißchen politische Lebenserfahrung dazu, sich die Auseinandersetzungen um die Hinrichtung von Gerd Albartus innerhalb des Organisationszusammenhanges der RZ wie ein gewaltiges Erdbeben am Meeresgrund vorzustellen; ein Beben, dessen Schockwellen sich in die Herzen aller wie auch immer am RZ-Projekt Beteiligten gepflanzt und fortgesetzt haben. Und unvergeßlich wird allen an den damaligen Diskussionen unmittelbar Beteiligten die Positionen vor allem derjenigen GenossInnen gewesen sein, die die Ermordung von Gerd Albartus irgendwie aus einem "Gerd wußte, worauf er sich einließ"-Bedingungen heraus verständlich (FdZ, S. 57) oder "gerade so wichtig" nicht fanden.

Da wußte die für diese Veröffentlichung federführende Zelle nur noch mitzuteilen: "Daß die Tatsache, daß ein Genosse umgebracht wurde, bestenfalls zur Kenntnis genommen und darauf sogleich zum politischen Tagesgeschäft übergegangen wird, ohne sich veranlaßt zu sehen, zu diesem Mord in den eigenen Reihen Stellung zu beziehen, hat uns überrascht". (FdZ, S.63) Da trennen sich dann in der Tat aus ganz hervorragenden Gründen die Wege, und manche hören deswegen auch - nach der Abgabe einer entsprechenden Erklärung - gleich ganz auf.

Überlegungen zur bewaffneten Praxis

Jede Guerilla stellt allein durch ihre Existenz des ihr gegenüberstehenden System die Gewalt- und Machtfrage. Schon allein ihre Existenz bedingt eine fortwährende Grundlagenreflexion über die Vermittlung zwischen Form und Inhalt linksradikaler Politik. Der Theorie nach ist die Guerilla durch die Wahl der illegalen Mittel der zugespitzteste Widerspruch in einer bestimmten Frage. Dabei kann ein durch die militärisch gedachte Zuspitzung geschliffener Begriff von Politik durchaus einige Erkenntnismöglichkeiten, sprich Aufklärung eröffnen. Auf der anderen Seite infiziert sich diese Form eines Front-Denkens leicht mit schmittianischen Freund- Feind- Unterscheidungen, und mischt sich zuweilen mit düsteren existentialistischen Denkfiguren.

Trotz allem hat die Guerilla im Unterschied zu anderen Fraktionen der Linken zumindest in der Praxis ein Problem gelöst: Den Widerspruch zwischen Legalität und Illegalität. Schließlich bleibt die Erkenntnis einfach richtig, daß sich ein Sozialismus oder sagen wir es etwas metaphorischer: ein besseres System nicht auf der Basis des alten Kapitalismus mit 51% Stimmenmehrheit per Parlamentsbeschluß einführen läßt. In einem im November 1978 veröffentlichten Papier legten die RZ die Ziele der von ihnen ausgeübten Form der bewaffneten Praxis nieder. "Die Methode der Illegalität" sollte erlernt werden, es ginge darum "theoretisch und praktisch in die Bewegung (zu) intervenieren, der Resignation und Ohnmacht" sollte entgegenwirkt werden. Die Guerilla sollte dazu dienen "den Legalismus im deutschen Volk und in der Linken" aufzulösen, "einzelne" sollten bestraft werden, "um viele zu verunsichern". Mit Hilfe "illegale(r) Propaganda" gehe es darum "Gegenöffentlichkeit" herzustellen und "gegen die Internationale des Kapitals (sollte) eine antiimperialistische Praxis" entwickelt werden und last but not least gehe es darum "die gefangenen Kämpfer und KämpferInnen" zu befreien. (aus "Hunde wollt ihr ewig bellen...", FdZ, S. 206-208) Dagegen kann man aus der Perspektive eines Revolutionärs in jeder politischen Schattierung zumindest im Prinzip kaum Einwände erheben, allein es bleibt die Frage nach dem Ziel, das durch diese Mittel erreicht werden soll. Und diese "Ziele" haben sich in einem konkret-historischen Sinne durch das Verschwinden der Sowjetunion gravierend verändert. Auf jeden Fall ist es der Praxis der RZ zumindest in den 80er Jahren zu gute zu halten, daß sie im Ergebnis - mit Ausnahme der von ihnen als "mißglückt" bezeichneten Karry-Aktion, - die Tötung ihrer Gegenüber gemieden haben. Und diese Tatsache besitzt mehr als den Aspekt der bloßen Repression, da es nun mal hinter die Praxis auch von politiscshem Mord kein zurück, kaum ein Vergeben, und so gut wie kein Vergessen mehr gibt.

Auf der politischen Seite ist festzustellen, daß die Form der Guerilla aus der Zeitperiode der weltweiten nationalen Befreiungskämpfe und der Sowjetunion Vergangenheit ist. Und ob es neue Guerillaformationen geben wird, ist völlig offen. So hätte es beispielsweise angesichts des Ausmaßes des nun jahrelang anhaltenden Nazi-Terrors eigentlich schon lange eine Antifa-Guerilla geben müssen. Sie steht aber offenbar subjektiv für die AktivistInen weder aus dieser Bewegung noch für andere Linksradikale auf der politischen Tagesordnung. Und dieser Befund muß auf mehr als nur auf eine Vielzahl von individuell-persönlichen Gründen der AktivistInnen zurückzuführen sein. Eben: Die aktuellen Zeitströmungen geben nicht die geringsten politischen Hoffnungen für den Aufbau einer neuen Guerilla her. Und ob das nun gut oder schlecht ist, ist eine ganz andere Frage.

Die Analysen der RZ und der Roten Zora

Wenn man sich noch einmal die Zeit dafür nimmt, die beiden Früchte des Zorn Kompendien mit ihren rund 800 Seiten durchzulesen, so ist man danach nicht im mindesten dümmer. Im Gegenteil. Da findet sich zusammengefaßt ein langes Sammelsurium der unterschiedlichsten Themenstellungen und Zugänge. Durchgängig finden sich Reflexionen der Wandlungsprozesse des Imperialismus, und es wird Distanz bis Kritik am realen Sozialismus geübt. Es finden sich Beschreibungen und Kritiken an Entwicklungslinien der außerparlamentarischen Linken, zwei ganze Nummern der Früchte des Zorns arbeiten sich an einem Herrn namens Joseph Fischer ab. Und überhaupt bleiben die Kerne der militanten Massenbewegungen, in den 70er die Spontis, in den 80er die Autonomen zentraler Adressat ihrer Texte. Finden sich bis 1981 die Überlegungen zentral in sechs Nummern des Revolutionären Zorns dokumentiert, so spreizen sich sowohl die Organisierungs- wie die Themenstellungen analog zu den sozialen Basisbewegungen in den 80er Jahren. Aus der "Frauengruppe der RZ" aus den 70er Jahren wird die Rote Zora, die Bewegung gegen die Startbahn-West wurde chronologisch auf- und abgearbeitet, die 83er-Friedensbewegung in einer noch heute mustergültigen Analyse praktisch wie ideologiekritisch auseinandergenommen, 1986 wurde die "Freies Fluten"- Flüchtlingskampagne ins Leben gerufen und 1989 suchte die RZ die Frage "Was ist das Patriarchat zu beantworten.

Ein ums andere Mal betätigen sich die RZ-GenossInnen dabei in ihren Texten als ZuspitzungstheoretikerInnen, die sich mit energischen Fanfarenstößen an die Öffentlichkeit wenden. Wie und wo immer man diese Texte einordnen mag, sie bestechen auch heute noch durch eine zuweilen enorme gedankliche Flughöhe, und es ist wohl nicht völlig verfehlt zu vermuten, daß daran einige der besten Köpfe des westdeutschen Linksradikalismus mitgewirkt haben. Dabei haben die uns unbekannten RZ-GenossInnen einfach das getan, wozu latent aktionistische Autonome in den 80er Jahren nicht in der Lage waren: Sie haben sich einfach "die Zeit genommen", nachgedacht und damit eine im besten Sinne avantgardistische gesellschaftkritische (Gedanken-) Bewegung profiliert. Dadurch wurden wir alle geehrt. Und um es noch einmal zuzuspitzen: Die autonome Linke hätte ohne die Analysen der RZ und Rote Zora nach dem Mauerfall noch erheblich dümmer da gestanden, als sie es ohnehin schon tat. Machen wir jetzt einfach einen Schnitt: Unter dem Eindruck der aktuellen Verhaftungen ist die von RZ in den Jahren 1986-91 durchgeführte sogenannte "Flüchtlingskampagne" noch einmal in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses gerückt Der RZ wollte damit zu einer "Rückgewinnung eines konkreten Antiimperialismus in der BRD beitragen", der sich "auf die Klassenfront hier (...) in diesem Land" beziehen sollte. Sie beanspruchte mit diesen Aktionen die "Mobilität des Proletariats" mit dem Ziel zurückzuerobern, "ein faktisches Aufenthaltsrecht für alle Immigranten und Flüchtlinge in der BRD durchzusetzen." (FdZ, S. 539/42)

Die in diesem Zusammenhang dann verübten sechzehn Anschläge waren dann von den Forderungen "Für freies Fluten" (FdZ, S. 549) und "Soziale Revolution gegen imperialistische Flüchtlingspolitik" begleitet (FdZ, S.559) Im Januar 1992 erklärte dann eine RZ aus dem unmittelbaren Zusammenhang der Flüchtlingskampagne "Das Ende unserer Politik' (FdZ S. 35-47) Wenn sich darin auch Elemente eines Wirklichkeitsverlusteseingeschrieben haben (Vgl. die an dieser Stelle richtige Replik einer anderen RZ, in FdZ, S. 49/50), so stellt diese Erklärung doch ein instruktiven Versuch einer Bilanzierung dar. Die uns unbekannten GenossInnen haben damit doch einiges am Material vorgelegt, auf das sie auch heute noch eine fundierte Antwort verdient haben. Und zu dieser Diskussion gehört mindestens die Frage, ob sich nicht die von der RZ aufgestellte Forderung nach einem "Freien Fluten" gerade durch die Auflösung des alten Ost-West-Ordnungsregimes nach dem Fall der Mauer ganz anders realisiert hat als sie es selbst einmal gedacht haben.

Spekulationen über einen Kronzeugen

Ja, jedem der Tarek irgendwann einmal begegnet ist, dem fällt auch etwas zu ihm ein. " Einige Stichpunkte zur Biographie von Tarek Mousli" wurden ja schon von einem ihm wohl bekannten Genossen in der Interim Nr. 492 notiert. Sie verzichten zwar auf eine theoretische Reflexion, aber da wir schon beim Geschmack sind: Nett ist da die Formulierung, daß er "sowohl langandauernde Beziehungen als auch etliche Affären" lebte. Sex ist auch in unserem Milieu ein knappes Gut und läßt dementsprechend die Phantasien hochgehen. Sicher ist da nur: Der charmante Tarek liebte die Frauen, und viele Genossinnen liebten Tarek. Schön das es so etwas noch gibt.

Weniger schön ist da schon der Hinweis von Herrn Proko auf eine "mangelnde Auseinandersetzung (von T.M.) mit der eigenen patriarchalen Verstrickung in die Unterdrückung" Doch da werden wir schon im nächsten Satz darüber informiert, daß er "sich wie viele Macker-Männer aus der Szene" sofort daraus "verabschiedete" als Frauen darüber eine Auseinandersetzung einforderten.(Interim Nr. 495) Ob dieser energische Sexualordnungszugriff die ganze einfache Wahrheit ist? Es werden sicherlich nicht die letzten öffentlichen Mitteilungen sein, die uns über den Lebenswandel des Herrn Mousli noch erreichen werden. Erklären tun sie natürlich nichts. Wie aber nähern wir uns denn einer Person wie Tarek Mousli, die zumindest für den Verlauf der 80er Jahre beanspruchen kann, aktiver Teil einer authentischen linksradikal-autonomen Bewegung gewesen zu sein? Das ist auch deshalb kein ganz einfaches Unterfangen, weil wir damit implizit davon ausgehen müssen, daß nicht alles was Tarek zwischenzeitlich den Bullen und den Staatsanwälten erzählt hat, - um es mit den Worten Uwe Barschels auf seiner Ehrenwortpressekonferenz auszudrücken - "erstunken und erlogen" ist. Diese Voraussetzung muß schon gemacht werden, weil sich sonst ein paar Dinge nicht politisch diskutieren lassen. Sie schränkt aber keineswegs für die Rechtsanwälte der anderen Angeklagten die Aufgabe ein, jede Aussage des Herrn Mousli in einem Gerichtsverfahren mindestens fünf mal mit dem Ziel umzudrehen, ihn im Interesse der von ihnen vertretenen Mandanten so unglaubwürdig wie nur was zu machen.

Aber die Juristerei ist nun mal ein ganz anderes Terrain als das Feld der Politik. Und da ich nun mal kein Rechtsanwalt bin, bin ich so frei, mich auf dem letzteren zu tummeln. Im Unterschied zu dem RAF-Spitzel Klaus Steinmetz können derzeit bei Tareks Rollenwechsel auch kaum politische Begründungszusammenhänge aus dem Weg geräumt werden. Von einem Teil des Umfeldes des Steinmetz mußte dieser zur Unperson erklärt werden - "ungenaues reden und Abwasch nur auf Anforderung" - um den Mythos aufrecht zu erhalten, daß eine derartige Type nicht Teil der ansonsten heroischen - "An uns kommen die Bullen nicht 'ran" - antiimperialistischen Kampffront hat sein können. Diese Begründungen konnte man auch deshalb so leicht aus dem Weg räumen, weil sie Teil eines ressentimentgeladenen und hermetisch geschlossenen totalitären Weltbildes waren. Und das ist unter emanzipatorischen Gesichtspunkten schlicht inakzeptabel. Für Tareks Aussagebereitschaft gibt es aber derzeit außer einer billig zu habenden moralischen Aburteilung als "Verräter" so gut wie überhaupt keine Erklärung. d.h. zunächst auch keine die man wegräumen könnte. Insoweit die Lupus-Gruppe darauf verweist, daß die Geschichte von RZ und Roter Zora "von heftigen persönlichen Differenzen und Verletzungen geprägt" gewesen sei, "die am Ende dazu geführt haben können, die Seiten zu wechseln" ist nicht von vornherein zurückzuweisen. Ich vermute aber, daß damit unter Umständen der Ausschnitt zu groß für die Beantwortung der Frage gewählt worden ist, "was Auskunft (...) geben (könnte) wie es zu Tarek M 's ausführlichen Aussagen kommen konnte." (Lupus) Ob das die Hinrichtung von Gerd Albartus war, wissen wir nicht. Völlig auszuschließen ist es aber nicht.

Vielleicht ist auch die Wahrheit auf die Frage banaler als wir es uns alle wünschen. So geht meine Spekulation eher in die Richtung, in Tarek einen zwar intellektuell- politisch nicht sehr beschlagenen Ex- Genossen aber doch einen guten Krieger, - und insoweit es sich auf die Organisierung autonomer Kampfmeuten bezieht auch einen ganz passablen Feldherrn - zu sehen. Und ein Krieger ist im Guerilla-Kampf immer gut zu gebrauchen, und setzt nun mal in der Perspektive nicht auf so etwas kompliziertes wie Befreiung, sondern schlicht auf Sieg. Und der ist nun zumindest auf der Seite einer wie auch immer zusammen gesetzten Linken mittelbar aktuell nicht zu haben. Ich glaube, daß der Krieger Tarek M., jetzt im Angesicht seiner Auslieferung gegenüber der größeren Macht sich aus diesem zugegeben plumpen Grund dazu entschlossen hat, die Seiten zu wechseln.

Und ein geschlagener Feldherr gibt allemal noch das was er als seine Fußtruppen ansieht, dem Gegner preis. Es scheint für ihn nichts mehr zu geben, wofür er glaubt "den Kopf hinhalten" zu müssen oder zu können. Das ist natürlich mehr als bitter vor allem für die, die davon unmittelbar durch ihre Inhaftierung betroffen sind. Aber diese schlimme Anordnung ist auch so banal wie ein Zufall, wie es ihn in der Weltgeschichte schon immer geben hat und auch weiterhin geben wird. Insofern ist diese Situation nicht der völlig unähnlich bei der bei selbst gut geplanten Aktionen Genossinnen auf unvorher gesehene Weise einfahren können. Allerdings sehe ich schon, daß es ein nicht ganz unwesentliches Verbindungsglied zwischen der Aussagebereitschaft des Herrn Mousli gegenüber den Bullen und seiner Lebenspraxis zumindest in den 80er Jahren gibt. Darin setzt sich nur eine bestimmte Art der Trostlosigkeit fort, mit der wir in den 80er Jahren in den Wohngemeinschaften und politischen Gruppen gelebt haben und zum Teil dazu unfähig waren die Auseinandersetzungen so zu führen, wie es die eigentlich notwendig gewesen wäre.

Wenigstens für sich muß Herr Mousli davon überzeugt sein, über die Bullen nachträglich noch einmal eine Abrechnung mit den von ihn in den Verhören Benannten zu führen, um einen letzten Rest an autonomer Subjektivität für sich zu imaginieren. Das rechtfertigt zwar nicht den kriminalpolizeilichen Verrat, der allerdings nur an die Adresse der heute noch tätigen Autonomen ein politischer Verrat, nicht aber mehr an die Adresse der RZ einer sein kann, weil es sie als organisatorischen Zusammenhang nicht mehr gibt. Es stellt aber dieses, - zwar prinzipiell verwerfliche, aber zu analysierende - Verhalten in den Zusammenhang, in dem es mindestens in einem politischen Sinne diskutiert werden müßte. Ich sage bewußt "müßte", weil es aktuell natürlich völlig illusionär ist darauf zu hoffen, allein mit einem Appell es sich doch bitte nicht "zu einfach" zu machen, "wenn wir Verräter als Schweine abtun", wie es Fernando & Co mit noch mehr schönen "Gefühle und Ängste 'rauslassen"-Umschreibungen formulieren (Interim Nr. 495), genau diese Diskussion mit den Leuten, die das doch eigentlich angeht, auch anzustoßen. Da stehen in unserem eigenen Milieu sehr mächtige, und außerordentlich privat gewordene Interessenlagen gegenüber, die sich von sowas natürlich nicht beunruhigen lassen werden. Auf jeden Fall bleibt es unbedingt notwendig den da und dort in Diskussionen mit Genossen auftauchenden Begriff einer fehlenden "moralischen Integrität" des Herrn Mousli als eine politische Kategorie in den anstehenden Debatten entschieden zurück zu weisen. Und das nicht nur deshalb weil der Anspruch auf "moralische Integrität" im Zweifel noch von jeder Mafiaorganisation hochgehalten wird. Dabei zieht dieser zwielichtige Begriff nicht mal eine Trennungslinie zu denjenigen "Genossen" die zusammen mit der ihnen eigenen "moralischen Integrität" Gerd Albartus doch als "Verräter" eine Kugel in den Kopf gejagt haben.

Wie man es auch dreht und wendet: Der Haß auf den Verräter, dessen Verrat doch allemal von den einen oder anderen geliebt wird, steht der politischen Links-Rechts-Achse völlig indifferent und damit unpolitisch gegenüber. Und ein Verständnis von Nicht-Politik als Naturalisierung mündet im Ergebnis ganz automatisch politisch Rechts. Schönen Dank auch. Nach diesen durchaus etwas spekulativen Überlegungen zu der Beschaffenheit eines Kronzeugen will ich auch nicht die Konsequenz verschweigen, die sich daraus in der Soliarbeit ergeben sollte: Es steht der Soliarbeit gut zu Gesicht nicht nur die Freiheit von Axel, Harald und Sabine E. einzufordern sondern auch die des Kronzeugen Tarek Mousli. Genau, richtig gelesen: Freiheit für Tarek Mousli, und das zwar sicherlich nicht an allererster Stelle, aber doch unmißverständlich als Teil eines ganz anderen Politikverständnisses. Als Begründung dafür ist zunächst einmal auf die subjektive Seite der objektiven Auswirkungen der Kronzeugenregelung hinzuweisen. Und da muß man nur die juristisch vermachtete Sprache des Rechtsexperten Gössner zu lesen, wenn er von der Transformation eines Beschuldigten in ein "Fahndungsinstrument" und dessen "hochgradige" bis "existentielle Abhängigkeit von staatlichen Instanzen" schreibt. Ein Kronzeuge wird "in den staatlichen Verfolgungsapparat integriert" und praktisch "zum Objekt staatlichen Handelns im Interesse unbedingten Strafverfolgungswillens" degradiert. (Zitronenfalter, Februar 2000) Wenn das keine andere Beschreibung für den Vorgang der Folter ist, was ist das denn sonst? Und es ist gerade nicht die Aufgabe einer Solidaritätsarbeit damit im Gedanken klammheimlich zu paktieren, weil man dadurch glaubt Momente eines Rachebedürfnisses stillen zu können. Stattdessen ist in der Öffentlichkeit die Formatierung eines ehemaligen Genossen zu einem "Fahndungsinstrument" unmißverständlich zu benennen. Darüber hinaus liegt es doch völlig auf der Hand, daß die Bedingungen mit Herrn Mousli eine Auseinandersetzung mindestens über die Frage: "Warum bist du so ein Schwein geworden, daß du alle Genossinen anschwärzt, die dir in deinem politischen Leben begegnet sind?"zu führen, draußen allemal besser sind als wenn er weiter drinnen hockt. Auf jeden Fall durchschneidet diese Forderung auf der inneren Linie jeden Bezug auf eine sogenannte "Anti-Verräter" - Minimalkonsens-Politik. Sie wäre ohnehin zwischen den unterschiedlichen Beteiligten in der Solistruktur nur dubios. Auf der äußeren Linie transzendiert genau diese Forderung die Form einer Politik, die nicht nur Gerd Albartus das Leben gekostet hat, sondern auch genau so eine Figur wie Herrn Mousli hervorgebracht hat.

Zum Stellenwert der Solidarität

Man stelle sich einmal vor, im Jahre 1986/87 wären Ulrike Meinhof und Andreas Baader für die Mai- Offensive der RAF gegen den Vietnamkrieg eingefahren. Und wir ständen dann vor dem Problem, uns über 10 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges irgendwie solidarisch dazu verhalten zu sollen.

Auch wenn der Vergleich ein wenig hinkt, so eröffnet der politische Zusammenhang der Verhaftungen, der mindestens bis in die Jahre 1986/87 zurückreicht, eine ähnliche Zeitspanne mit der wir es jetzt zu tun haben. Zudem stehen die aktuellen Verhaftungen nicht in einem ursächlichen Zusammenhang damit, eine gerade aufstrebende radikale oder gar massenmilitante Bewegung einschüchtern zu müssen. Es ist alles sogar noch viel schlimmer: Die in deutschen Landen anhaltende präventive Konterrevolution schlägt mit einem langen Gedächtnis und "gegen das vergessen" zu, ohne das sich aktuell auch nur der Hauch eines revolutionären Silberstreifes am Horizont abzeichnet. Und das sich die staatliche Repression in diesem Fall nicht in erster Linie gegen das bißchen antirassistischer Bewegung richtet, die u.a. auch von FFM und Harald verdienstvollerweise betrieben worden ist, wird auch daran deutlich, daß die Bullen noch nicht einmal die Computer aus den FFM- Büros weggeschleppt haben.

So schlägt der Staat in diesem Fall einfach deshalb zu, weil er sein Glück der totalen Verfügung über einen durch schlichte Erpressung mitteilungswütig gewordenen, nicht völlig bedeutungslosen Militanten der 80er Jahre mit der ihm eigenen Dummheit und den kalten Rachegelüsten an weit über 150 unaufgeklärten Anschlägen verknüpft. Bitter aber nur zu wahr. Und für eine jede Solidaritätsarbeit ist das eine ziemlich vertrackte Angelegenheit, da sie erst mal in Bezug zu diesen Verhaftungen in einer Art politischem Vakuum operieren muß. Deswegen ist es zunächst auch mal kein Zufall, daß der Charakter der bisherigen Soliarbeit den einer durchaus ehrenhaften Familiensolidarität hauptsächlich mit Harald und Axel angenommen hat. Und die ist auch deshalb leicht zu haben, weil beide Genossen mit durchaus plausiblen Infos als Juwelen des politischen Aktivismus beschrieben werden können. Aber dann hört es eigentlich mit der praktischen Solidarität auch schon auf. Von Frau "Sabine E:" weiß man immerhin noch, daß sie nicht möchte, daß ihr Nachnahme irgendwo auftaucht und von Herrn Rudolf Schindler weiß man nur, daß er überhaupt nichts mit der Soliarbeit zu tun haben möchte. Und was beide möglicherweise mit "Antirassismus" zu tun hatten oder haben oder nicht ist sogar noch unbekannter. Und von der schillernden Rolle des J. Fischer und Cohn-Bendit-Kumpels Hans Joachim Klein-Klein wollen wir lieber gleich schweigen.

Nun gut, Familie ist Familie, und damit einfach keine Politik. Spätestens jedoch wenn man in die Öffentlichkeit geht, z.B. durch Veranstaltungen oder vielleicht einer Demonstration z.B. mit der Forderung der Freilassung aller RZ-Inhaftierten kommt man jedoch nicht mehr um die Beantwortung dieser Frage herum. Das ist auch der Irrtum der Soli-Leute, die das politische Vakuum als fixe Tatsache glauben dafür benutzen zu können, die RZ-Frage als nicht-existent zu umgehen. So wissen wir derzeit nur, daß - wenig überraschend - die ersten Überlegungen zur Soli-Arbeit in negativ abstrakter Weise und weitgehend begriffslos zwischen Kitsch, formalen Militanzfetisch und "Kopf in den Sand" changieren. Man wagt es kaum zu glauben, aber es ist doch wahr, daß ein Teil der Unterstützerscenerie zumindest in Berlin sich einfach weigert die gedanklichen Konsequenzen aus dem Umstand, daß die RZ als Organisation Pleite gemacht haben, zu ziehen. Allein die Frage: "Hey du, die RZ sind tot, was lernen wir daraus?" ist so manchen GenossInnen entweder eine Zumutung oder gleich gar nur ein Rauschen. Was für ein Elend! Das ist ein nicht ganz unbekanntes Dilemma einer Linken, sich vor der gesellschaftlichen Wirklichkeit lieber abzuschotten, anstatt diese bis auf den unbequemen Grund zu analysieren. In diesem Zusammenhang gehört dann auch das erste mit hellroter Kitschfarbe auf schwarzem Grund hergestellte Soliplakat "Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle" mit den Untertiteln: "Die RZ haben AKW-Betreiber sabotiert / Rassistische Richter bestraft / Soziale Bewegungen unterstützt" Das ist nicht ganz falsch, wäre aber um der Wahrheit der ganzen Organisationsgeschichte willen - und die soll ja mit dem Plakat angesprochen werden - noch mindestens noch um die Merksätze "Juden bekämpft" und "Verräter mit Kopfschuß umgelegt" zu ergänzen. (Vgl. Interim Nr. 492) Auf der anderen Seite korrespondieren diese in einem politischen Sinne wirklichkeitsfernen Haltungen mit Auffassungen wie die vom Ermittlungsauschuß Berlin, der einfach mal "an alle" appelliert: "Aufhören!!! Mit dem Tratsch und Klatsch" (Interim 492) Mit Verlaub, das ist eine "Kopf in den Sand"-Politik.

Abgesehen davon daß die Forderung nach "kein Tratsch" so realitätshaltig ist wie die Einlösung der Forderung nach "Kein Regen!" oder "Viel Sonne!", so ist das "Tratschen" mit Leuten, die man gut kennt, in einer Situation, in der man nur weiß, daß ein ehemaliger Genosse den Bullen alles erzählt, was diese von ihm zu hören wünschen, ein völlig vernünftige Reaktion, vor allem auch dann, wenn kein Kreis dazu fähig oder willens ist, das berechtigte Informationsbedürfnis der Leute durch Gegeninformation zu befriedigen und in einem politischen Sinne zu führen.

Wenigstens an diesem Punkt haben die GenossInnen der Zeitung Libertad ganz recht, wenn sie schreiben: "Das Berliner Bündnis sprach sich bislang mit großer Mehrheit dagegen aus, dem Gewirr aus Halbwahrheiten, interpretierenden Vermutungen und Gerüchten mit den ihn bekannten Fakten auf einer Vollversammlung oder in der Kampagnen- Zeitung "Zitronenfalter" die Basis zu entziehen. Es ist zu hoffen, das darüber noch mal nachgedacht wird." (Libertad Nr. 6, März 2000) Bleibt also nur noch die Soliposition von GenossInnen aus der FFM, die sich für "eine Kampagne, die auf breiten Füssen steht" ausgesprochen haben, und sich dabei gegen eine "Verengung auf das RZ-Thema" wenden: "Wir dürfen uns nicht von der BAW vorschreiben lassen, was wir in den nächsten Monaten zu diskutieren haben." (ak vom 20.1.2000)

Diese Überlegungen finde ich nicht ganz falsch, allein sie verraten Wunschdenken: denn egal ob man sich nun in der Soliarbeit mit oder ganz ohne RZ "verengt" oder meinetwegen auch ungeheuer "ausweitet, allein dadurch werden die "breiten Freilassungskampagenenfüsse" genausowenig zustande kommen, wie derzeit auch an anderen gesellschaftlichen Fragen. In diesem Sinne packt auch die geschickte rhetorische Wendung "Wir- nicht- von- BAW- vorschreiben- lassen" den toten Stier RZ, mit dem wir es hier nun mal zu tun haben, nicht dort, wo in der Soliarbeit zugegriffen werden müßte: Bei den Hörnern. Aufzunehmen und gegebenenfalls zu radikalisieren wäre demhingegen eine andere Äußerung aus dem besagten Interview: "Was diese (Flüchtlings-RZ-)Kampagne Ende der 80er Jahre war und was wir heute noch damit zu tun haben, darüber sollten wir reden." Genau darum geht es auch an hervorragender Stelle in der Soliarbeit, jedenfalls sofern sie den Charakter einer Familiensolidarität in einem politischen Sinne überwinden will. Dabei wird die Solidarität in einem machtpolitischen Sinne auf den Gang des Straf- und Gerichtsverfahrens ohnehin keinerlei Einfluß haben. Ihr würde aber eine eminente Bedeutung dafür zukommen, mitzuhelfen die politische Diskussion über die Zukunft eines anderen Lebens mit zu organisieren. Lupus schreibt, daß die RZ / Rote Zora "in den siebziger und achtziger Jahren eine große Bedeutung für autonome, militante Bewegungen (besaßen). In ihrem Konzept nahm das Wort von der Systemopposition eine mögliche Form an. Sich dazu in Beziehung zu setzen ist Teil einer Solidaritätsarbeit" (Interim Nr. 495) Auf jeden Fall gibt es gute Möglichkeiten dafür sich die heute vielleicht nicht mehr gültigen aber allemal noch interessanten RZ Analysen kritisch anzueignen, sie zu verwerfen oder weiterzuentwickeln. Das wäre auch eine Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage: Ein paar hundert Leute haben in der Soliarbeit zu Harald und Axel die große Chance, etwas über die gesellschaftlichen Verhältnisse zu lernen, etwas auf den Begriff zu bringen. Und das macht nicht nur die schon vor langer Zeit eingetretene Niederlage des Konzeptes der RZ und Roter Zora produktiv, sondern ist schon für die nächste Zukunft ein wichtiges Unterpfand im Kampf für eine bessere Welt.

Dave Boman

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