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Aus Briefen von Harald
01.05.2000:
"...Ich selber bin sicherlich auch überhaupt kein
leidenschaftlicher Briefeschreiber, aber hier habe ich ja gar keine andere
Wahl und so schreibe ich jetzt in einer Woche sicherlich mehr Briefe als
ich vorher in drei bis vier Jahren geschrieben habe, und es macht mir jetzt
auch noch Spaß..."
"..Soviel wie hier habe ich sicher auch noch nie für meine
Körperertüchtigung getan, es ist ja nicht nur so, dass ich
zweimal pro Woche laufen gehe und dreimal in den Kraftraum (an diesen
doofen Feiertagen fällt das allerdings immer aus), sondern ich mache
eigentlich ziemlich regelmäßig jeden Tag noch ca. eine Stunde
Gymnastik in der Zelle..."
"...Der Umgang mit Informationen und mit Informationshierarchien
ist ein ebenso heikles wie auch sensibles Thema, das durch die
Kommunikationsschwierigkeiten noch komplizierter zu handhaben ist.
...Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich dafür bin, so wenig
Hierarchieebenen wie möglich einzuführen. Konkret bedeutet das,
dass ich den "Strukturvorschlag" mit den persönlichen
Betreuungsgruppen falsch finde. Aus meiner Perspektive finde ich es viel
besser, wenn die Kommunikation zwischen den einzelnen Gruppen bzw. Personen
des Soli- Bündnisses und mir bzw. den Anderen möglichst direkt
abläuft, und ich fand sowohl die Briefe von der Finanz- AG, dem
Büro als auch die beginnende bzw. sich intensivierende
Auseinandersetzung mit Einzelpersonen genau die richtigen Schritte in diese
Richtung. Ich würde mir wünschen, das auf diesem Weg, der
letztendlich jedem und jeder offensteht, die Informationshierarchie
möglichst eingeebnet wird. ..."
28.05.2000:
"...ich finde es ja immer wieder erfreulich und erstaunlich wieviel
draußen eigentlich organisiert wird, dass das dann
regelmäßig meine Stimmung wieder anhebt wirst Du dir ja
vorstellen können..."
"...Die Akte mit den Aussagen des Kronzeugen habe ich ja jetzt
endlich mal, hat auch lange genug gedauert, und ich bin auch nach einem
ersten Lesen immer noch relativ guter Dinge."
25.06.2000:
Harald zitiert aus einem Anhaltebeschluß, ein Puzzle und eine
unbeschriebene Postkarte bereffend:
"... Begründung: "Puzzle und Postkarte wären bei
Weitergabe geeignet, die Ordnung in der Anstalt zu gefährden. Das in
dem Brief des ... enthaltene Puzzle besteht aus 54 Teilen. Auf der
Rückseite des Puzzles sind handschriftliche Eintragungen vorgenommen.
Die Eintragungen und der Inhalt der mit ihnen verbundenen Mitteilung an den
Beschuldigten wären in ihrem Zusammenhang nur erkennbar, wenn das
Puzzle zusammengesetzt wird. Ein derartiger
unverhältnismäßiger Aufwand läuft den Zwecken eines
geordneten Vollzuges der Untersuchungshaft entgegen. Der Aufwand wäre
nicht nur von dem die Post kontrollierenden Beamten zu betreiben, sondern
auch von den Justizvollzugsbeamten, soweit sie bei möglicherweise
erforderlich werdenden Zellendurchsuchungen die Post des Beschuldigten auf
versteckte Nachrichten zu überprüfen haben. Das Bild auf der
Postkarte ist obszön."
"...Mit der Überprüfung der Haftfortdauer lassen sich die
Herren in Karlsruhe ja auch einige Zeit. Eigentlich war ja das halbe Jahr
am 18.6. vorbei, aber erst am 20.6. hat der 3. Senat des BGH einen Brief
geschrieben, den ich dann am 23.6. erhalten habe, in dem sie mir mitteilen,
das der general (-bundesanwalt) ihnen mittlerweile die Akten
überlassen hat für diesen Haftprüfungstermin. Sie geben mir
Zeit, mich bis zum 10.7. dazu zu äußern, was letztendlich
bedeutet, dass ich auf jeden Fall ca. 7 Monate in U- Haft sitze, bis die
ihren entsprechenden Beschluß gefällt haben. Wahrscheinlich gilt
die Halbjahresfrist für die Haftprüfung auch nur unter dem
Vorbehalt, dass der general nichts anderes anordnet. Das die uns
überlassenen Aussagen des Kronzeugen nicht vollständig sind sei
hier nur am Rande erwähnt..."
"... Die interim, die mir ja nun regelmäßig zugeschickt
wird habe ich auch noch nicht ein einziges Mal erhalten. Der general ist
mal wieder der Meinung, sie würde die Ordnung in der Anstalt
gefährden, aber immerhin findet er sie so lesenswert, dass er
"die Vorlage eines weiteren Exemplars der Druckschrift bei der
zuständigen Landesstaatsanwaltschaft zur Prüfung der Einleitung
eines Ermittlungsverfahrens veranlaßt" hat... Bei dem, was alles
deren Ordnung gefährden kann wundere ich mich manchmal, dass ich hier
überhaupt noch etwas zu lesen erhalte..."
13.07.2000:
"... der 10.7., also mein Geburtstag, war ein Knastalltag wie jeder
andere auch, von den anderen Knackis wußte wohl niemand, das ich
Geburtstag habe und zwei oder drei Schließer haben mir zwischendurch
mal gratuliert. Ansonsten habe ich mein übliches Montags- Programm
abgespult, 6 Uhr aufstehen und frühstücken, kurz nach 8 Uhr eine
Stunde laufen und von 9.45 bis 11 Uhr dann halt im Kraftraum, mittags dann
eine ganze Reihe von Briefen und Postkarten in Empfang genommen, es sind
tatsächlich viel Geburtstagsglückwünsche rechtzeitig
angekommen, und der Rest des Tages war wieder mit Lesen und Briefe
beantworten ausgefüllt. Neben diesen
Geburtstagsglückwünschen, die ich an diesem Tag erhalten habe war
für mich auch sehr gut und wichtig, das ich ja wußte, wie sehr
ihr euch alle darum bemüht habt, mir einen besonderen Gruß
zukommen zu lassen und ich gehe fest davon aus, das noch nie so viele Leute
an meinen Geburtstag gedacht haben wie dieses Mal. Und mit diesem Wissen
und diesem Gefühl habe ich den Tag eigentlich auch ziemlich gut
überstanden. ..."
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