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Briefe

Aus einem Brief von Harald vom 22.3.2001 (dem ersten Prozesstag):

"...Beim Gang durch die Moabiter Katakomben hatte ich dann sofort Assoziationen an irgendwelche alten Schlösser mit ihren Geheimgängen. Allerdings erweckte der Anblick der vielen in einsamen Gängen liegenden Verschlußlöcher, die euphemistisch Wartezellen genannt werden, Erinnerungen an entsprechende Räumlichkeiten bei KZ Besichtigungen. Im Gerichtssaal galt am heutigen Tag mein Hauptinteresse und meine Hauptaufmerksamkeit natürlich dem Zuschauersaal , d.h. den vielen Bekannten und FreundInnen die ich ja nun auch zum großen Teil seit mehr als 15 Monaten nicht mehr gesehen habe. Mit diesem Erlebnis und dem daraus resultierendem Gefühl im Bauch bin ich dann doch ziemlich gut gestimmt den Rückweg in die Zelle angetreten, auch wenn ich natürlich viel lieber einen anderen Ausgang genommen hätte. So viel erst einmal dazu...

... möchte ich Euch zur Abwechslung mit einer heiteren Geschichte aus der Ermittlungsarbeit des BKA erfreuen.

Bei meiner Verhaftung am 19.12.99 wurden ja auch diverse Dinge aus meiner Wohnung beschlagnahmt, u.a. auch ein Gegenstand der damals mit der Bezeichnung "Bild aus nicht definierbarem Material" Eingang in das Durchsuchungsprotokoll fand. Nach über einem halben Jahr kamen die vielbeschäftigten BKA'ler dann endlich auch dazu, dieses Asservat auszuwerten. Nach dieser Auswertung wurde es als "beidseitig bearbeitetes Schnitzereihandwerk" beschrieben, das aufgrund "des markanten Geruchs, der dunkelbraunen Farbe, sowie der Konsistenz des Materials" mit "großer Wahrscheinlichkeit" als ein Linoldruck identifiziert wurde. Als es dann im Oktober 2000 als nicht verfahrensrelevant zurückgegeben werden sollte war offensichtlich eine besonders engagierte BKA-"Schnüffelnase" beteiligt, die auf Grund des "aromatischen Geruchs" sofort den Verdacht auf einen Verstoß gegen das BtmG vermutete. Der eiligst herbei-gerufene Leiter der Zolldienststelle des Flughafen Schönefeld führte dann einen ,Btm-Schnelltest" auf Cannabis, Opium und synthetische Drogen durch. Aber auch das negative Ergebnis konnte den einmal geschöpften Verdacht nicht beseitigen und so wurde für den unbekannten Gegenstand noch ein Antrag auf eine kriminaltechnische Untersuchung beim BKA gestellt. Und damit sich so etwas dann auch lohnt sollte nicht nur geprüft werden, ob es sich"um Material im Sinne des BtmG" handelt, sondern bei einem des Terrorismus Verdächtigen muß selbstverständlich so ein "Linoldruck" auch auf Sprengstoff hin untersucht werden. Und so kommt es nun, das ich zukünftig diesen Gegenstand unbesorgt mit mir herumtragen kann, da ich durch ein "Behördengutachten" des Kriminaltechnischen Instituts des BKA nachweisen kann, das dieser obskure Gegenstand ein "Chinesischer Teeziegel" ist, wie er im Teehandel angeboten wird.

Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert als ich erst vor wenigen Wochen, also über ein Jahr nach meiner Verhaftung dieses Musterbeispiel für schwere und langwierige Ermittlungen zu Gesicht bekommen habe..."

MAIL
http://www.freilassung.de/briefe/harald/230301.htm