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Briefe

JVA Wuppertal, 11/09/00

Liebe MehringhöflerInnen,

Liebe KollegInnen,

Liebe Gäste!

Als einem von denen, für deren Verteidigung die Überschüsse dieses spätsommerlichen Festes meines Wissens zur Verfügung stehen sollen, hätte es mir eigentlich gut zu Gesicht gestanden, mit einem eigenen Stand zum Gelingen der Veranstaltung beizutragen.

Wie die meisten von euch wissen, bin ich massiv verhindert, und kann somit dieses Jahr nicht der anspruchsvollen, von mir dennoch geliebten Tätigkeit des Luftballonaufblasens nachkommen!

Es sei denn, es kommt doch noch zu einer BLITZENTLASSUNG.

Ein hellhörigmachender Begriff hier im Knast, der immer dann Anwendung findet, wenn auf Knackiseite über den Grund des unerwarteten Nichtauftauchens eines Mitgefangenen spekuliert wird.

Wenn also ein Gefangener beim Hofgang unerlaubterweise in Richtung Gitterfassade z.B. brüllt: WO STECKT DENN ANTON HEUTE?, so schallt mit Sicherheit von irgendeinem Gitter zurück: BLITZENTLASSUNG !

Nun, in meinem Umfeld habe ich während meiner nun schon 9-monatigen Karriere hier noch keine bestätigte BLITZENTLASSUNG miterleben können. Mittlerweile zweifele ich stark daran, daß dieses Phänomen überhaupt einen realen Hintergrund hat.

Aber, wie ihr euch denken könnt, lebt mensch hier im Knast noch mehr von unerfüllten Hoffnungen, als sonst schon üblich.

Ich kann euch versichern, daß ich für den Fall meiner Blitzentlassung allzeit gut vorbereitet bin!

So ertüchtige ich mich körperlich derartig, daß ich z.B. am letzten Wochenende anläßlich eines Sportfestes den beurkundeten 1. Platz im 4000m-Lauf der über Vierzig-Jährigen davontragen konnte!

Ich fühle mich somit jederzeit den körperlichen Anforderungen für die Fortsetzung meiner hausmeisterlichen Tätigkeiten im M-Hof gewachsen, im Falle der BLITZENTLASSUNG eben.

Entschuldigt, daß ich allzu egoistisch nur von meinen kleinen Träumen geschrieben habe, statt von SOLIDARITÄT, einem der Anlässe dieses Festes. Jedoch schätze ich, mit SOLIDARITÄT kennt ihr euch aus, schließlich seid ihr ja hier. Dafür danke ich euch allerherzlichst, insbesondere all denen, die durch Mühe und Einsatz an ihrem arbeitsfreien Samstag zum Zustandekommen all der spannenden und leckeren Angebote hier beigetragen haben.

Ich wünschte, ihr habt ein wenig SPASS dabei!

BIS GLEICH

früher oder später Axel, HM

und noch ein kleiner Zusatz zum Sportfest...

09/09/00

So, nun liegt der sportliche Tag schon hinter mir. Es war äußerst angenehm, 5 Stunden am Stück 'draußen' zu verbringen, zunächst noch bei Nieselregen, aber schon bald in herrlicher Sonne. Alles war organisatorisch ganz gut vorbereitet und hat mich sehr an ein Schulsportfest erinnert. So auch die 'errungene' Urkunde, ist es doch ebenfalls die erste dieser Art, seit meiner Teilnahme an Bundesjugendspielen zu Schulzeiten. Außer der Urkunde und einem Händedruck des Anstaltleiters bestand der erste Preis noch aus einem Glas löslichem Kaffee, einem T-Shirt mit aufgedruckter Aspirin-Werbung, einem Coca-Cola-Trinkbecher, einem Kartenspiel sowie einem Kugelschreiber! Aufgrund des 'guten Gelingens' der Veranstaltung wurde als Abschluß die nächste für das kommende Jahr angekündigt, welch ein Zynismus!

MAIL
http://www.freilassung.de/briefe/axel/a1609.htm